Stressmanagement und Ressourcen-Messbarkeit
Der Gesundheitsmarkt boomt. Sowohl seriöse als auch fragwürdige Angebote buhlen um des Käufers Gunst. Ein gelungenes Stressmanagement hat ein wesentliches Merkmal: Eigenverantwortung.
Nicht die Wunderpille oder eine spezifische Entspannungsübung bringen weniger Stress, sondern die Bereitschaft, sich verantwortungsbewusst mit den eigenen Ressourcen und Lebenseinstellungen auseinander zu setzen. Natürlich ist an gut gemeinten Ratschlägen, wie Waldspaziergängen oder sich einen Kinobesuch zu gönnen nichts falsch. Im Gegenteil, sie können mir bei der Stressbewältigung helfen.
Die Frage ist aber nicht was mir hilft, sondern ob es mir hilft. Schlafe ich wirklich erholsam? Kann ich beim gemütlichen Kaffeekränzchen wirklich Kräfte tanken?
Die HRV-Messung
Ob eine Tätigkeit tatsächlich erholsam ist und wie fest mich ein negativer Stressor tatsächlich belastet, wird durch unser autonomes Nervensystem bestimmt. Das autonome Nervensystem, oder auch bekannt als vegetatives Nervensystem, kann dank des Zusammenspiels von modernster Technik und medizinischen Grundlagen gemessen und dargestellt werden.
Die Herzratenvariabilitätsmessung, kurz HRV-Messung, bietet eine unverzichtbare Grundlage eines zeitgemässen, auf wissenschaftlich, evidenzbasierten Grundlagen aufgebauten und somit effizienten Stressmanagement.
EKG-Genauigkeit
Im Folgenden soll die Herzratenvariabilitätsmessung vorgestellt werden, um die Bedeutsamkeit der Methode für eine effektives Stressmanagement zu veranschaulichen.
Den eigenen Puls kann man relativ einfach messen. Ebenso kann man durch EKG-Messhilfen wie beispielsweise einem Brustgurt oder EKG Elektroden die Veränderung der Herzrate von einem Schlag zum nächsten messen.
Fühlt man den eigenen Puls, sollte er beim Einatmen etwas schneller, beim Ausatmen etwas langsamer werden. Je vielfältiger, also variabler, die Abstände der einzelnen Herzschläge sind, desto gesünder und leistungsfähiger ist man.
Dieses Phänomen wird als Herzratenvariabilität bezeichnet.
Die Definition der HRV
“Wenn der Herzschlag so regelmässig wie das Klopfen des Spechts oder das Tröpfeln des Regens auf dem Dach wird, wird der Patient innerhalb von vier Tagen sterben.” (Wang Shu, 3. Jh. n. Chr.) Was vor rund 2000 Jahren noch nicht auf Millisekunden genau gemessen und ausgewertet werden konnte, lässt sich heute relativ einfach aufzeichnen. Je variabler das Herz schlägt, desto anpassungsfähiger ist der Gesamtorganismus.
Und je anpassungsfähiger der Gesamtorganismus, desto gesünder und leistungsfähiger ist man. Es gilt natürlich auch der umgekehrte Weg: je starrer das Herz schlägt, desto kleiner die Lebensvitalität.
Taktgeber der HRV
Sieht man sich mit einem hungrigen Löwen in der freien Wildnis konfrontiert, ist man gut daran bedient, auf die Impulse welche der Sympathikus aussendet, zu hören: Flucht! Es werden innert Sekundenbruchteilen Stresshormone ausgeschüttet, welche die Durchblutung anregen, wir sind fokussiert und verspüren einen Drang zum Handeln.
Ist man dann hoffentlich unbeschadet an einem sicheren Ort angekommen, sollte der Parasympathikus dafür sorgen, dass wir wieder runterfahren können. Wir kommen zur Ruhe, entspannen und der Körper kann sich von den Strapazen der Flucht regenerieren. Dieses geniale Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus dient dem Menschen zum Weiterkommen, zum Überleben. Ähnlich wie beim Auto, brauchen wir beide Regulatoren, sowohl die Bremse, als auch das Gaspedal.
Soll vs. Haben
Das vegetative Nervensystem, als Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus, ist beeindruckend und wohl für uns alle verständlich. In der Praxis des Alltages kann man immer wieder feststellen, dass dieses Zusammenspiel nicht mehr einwandfrei funktioniert.
Häufig verlernen Menschen sogar, auf die Signale des Körpers, wie beispielsweise Müdigkeit oder Unterforderung zu hören und werden einerseits krank, können andererseits nicht ihr Potential ausschöpfen.
Mit Hilfe einer HRV-Messung kann man einen Einblick in die Regulationsfähigkeit des Menschen bekommen, welche wiederum eine Aussage über den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit erlauben.
Nutzen
Misst man die HRV während eines Zeitraums von 24 Stunden, erhält man einen präzisen Einblick in einen Arbeitstag, die Freizeitgestaltung, das Familienleben und nebst vielen anderen Aktivitäten auch in die wichtige Nachtruhe.
Durch die gemeinsame Auswertung kann man beispielsweise erkennen, wie gut man sich in der Nacht tatsächlich erholen kann. Ebenso ist erkennbar, wie viel eine kleine Lesepause wirklich an Erholung bringt.
Oder aber es wird verdeutlicht, ob die wenige Zeit, welche einem als Manager oder Mutter zum Sport treiben zur Verfügung steht, auch sinnvoll und effektiv genutzt wird oder man wertvolle Zeit und Ressourcen verschwendet. Das erste Ultraschallbild einer Schwangeren lässt wohl keinen Elternteil unbeeindruckt, sondern macht die Realität und Lebendigkeit des Babys (be)greifbar.
Ein ähnlicher Effekt ist bei einer HRV Messung beobachtbar: Menschen können das erste Mal in ihrem Leben, ihr ganz persönliches vegetative Nervensystem sehen, erfahrbar machen, verstehen lernen.
Dies kann manchmal sogar den wichtigen Stein ins Rollen bringen, der das Leben positiv verändert. Trotzdem, die HRV-Messung ist keine Wunderkiste oder ein Schlüssel zum Jungbrunnen der Gesundheit. Sie alleine kann nur dann etwas bringen, wenn man als Mensch etwas mit ihr anzufangen weiss.
Und dies geschieht nebst einem professionellen Coaching in erster Linie in der Bereitschaft, Verantwortung für den eigenen Lebensstil übernehmen zu wollen.
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